Vita des hl. Isidor, des Narren in Christo und Wundertäters von Rostow

Der heilige Isidor wurde in Germanien in der Gegend von Brennabor oder Brannibor (dem heutigen Brandenburg) in einer wohlhabenden slawischen Familie römisch-katholischen Bekenntnisses geboren. Schon von frühester Jugend an zeichnete sich der heilige Isidor durch Reinheit und Mildtätigkeit aus. So verteilte er all seinen Besitz unter die Armen und verließ sein Elternhaus um des Himmlischen Königreiches willen. Nachdem er sich für den schwierigen Weg des Narren in Christo entschieden hatte, unternahm er, in Lumpen gekleidet und mit einem Wanderstab in der Hand, eine lange Reise durch zahlreiche Städte und Länder, wobei er allerorten Hohn und Spott, manchmal sogar Schläge erduldete.

Letzte Station seiner langen Reise war Russland. Isidor nahm den Orthodoxen Glauben an und ließ sich in der Stadt Rostow (etwa 170 km nordwestlich von Moskau) nieder. Dort errichtete er eine kleine unüberdachte Reisighütte auf sumpfigem Brachland innerhalb der Stadtmauern und betete dort ganze Nächte lang zu Gott. Tagsüber hielt er sich auf den Straßen der Stadt auf und erduldete voller Demut jegliche Not sowie Erniedrigungen durch seine Peiniger, für die er aus ganzem Herzen betete. Zum Schlafen legte er sich nur für sehr kurze Zeit auf einen Misthaufen oder auf die kalte Erde.

Beseelt durch die in angespannter Askese angeeignete unermessliche Liebe zu Gott, vermochte er diese Demütigungen und jegliches Leid zu erdulden, wodurch er dem biblischen Hiob ähnlich wurde. So verherrlichte der Herr die ungeheuchelte Liebe Seines Dieners mit der Gabe der Wundertätigkeit. Bekannt ist die wundersame Errettung eines Kaufmannes aus stürmischer See. Dieser war mit seinen Gefährten in Seenot geraten, woraufhin sich die Passagiere dazu entschlossen, durch das Los zu ermitteln, wessen Sünden für die bedrohliche Lage des Schiffes ursächlich seien. Als das Los auf besagten Kaufmann fiel, wurde dieser, ähnlich wie der biblische Jonas, ins Meer geworfen. An einen umhertreibenden Balken geklammert und schon bar jeder Hoffnung auf seine Rettung, sah dieser Kaufmann plötzlich den heiligen Isidor wie über festes Land auf sich zukommen. Auf wundertätige Weise brachte der heilige Isidor den Kaufmann auf das Schiff zurück und pries die Barmherzigkeit Gottes. Bei einer zufälligen Begegnung in den Straßen Rostows verbot es der Heilige dem Kaufmann, von diesem Wunder zu verkündigen, damit dieser anstatt dem Heiligen Gott alleine den Ihm gebührenden Dank entgegenbringen möge.

Ebenfalls überliefert wurde, wie der heilige Isidor an den Hof des Fürsten von Rostow kam, als dieser gerade den Erzbischof bei sich zu Gast hatte. Auf die Bitte um etwas Wasser zum Trinken wurde der heilige Isidor auf brutale Weise von einem Wächter vom fürstlichen Hof vertrieben. Währenddessen saß man drinnen schon zu Tisch und stellte mit Erstaunen fest, dass alle eben erst aufgefüllten Wassergefäße plötzlich leer waren. Als dem Fürsten bekannt wurde, was sich kurz zuvor vor den Toren seiner Residenz zugetragen hatte, ließ er den Schuldigen bestrafen und schickte seine Soldaten auf die Suche nach dem Heiligen, um diesen flehentlich um Rückkehr an den Hof zu bitten. Kurz darauf erschien der heilige Isidor in den fürstlichen Gemächern mit einer geweihten Prosphore (Opferbrot in der Orthodoxen Kirche) in der Hand und überreichte diese dem Erzbischof mit den Worten: „Eminenz, nimm diese Prosphore entgegen, die ich soeben vom heiligsten Metropoliten von Kiew in der Sophienkathedrale erhalten habe“. In diesem Augenblick stellten alle Anwesenden fest, dass sich alle Wassergefäße wieder mit Wasser gefüllt hatten, womit deutlich wurde, dass die soeben gesprochenen Worte nicht der Phantasie des Heiligen entstammten, sondern dass dieser, ähnlich wie der Prophet Habakuk oder der Apostel Philippus tatsächlich von einem Engel des Herrn durch die Lüfte nach Kiew entrückt und wieder nach Rostow zurückgebracht worden war.

Ebenso wurde der heilige Isidor von Gott mit der Gabe der Weissagung gesegnet. So erschien er einst auf dem Höhepunkt der Feierlichkeiten aus Anlass der Vermählung des Fürsten Savva Obolensky mit der Fürstin Darja Gluchovskaya und überreichte dem frisch verheirateten Fürsten einen selbstgeflochtenen Kranz aus Feldblumen. Dabei sprach er zum Bräutigam: „Hier hast du, Fürst, auch gleich die Bischofsmütze“. Niemand wollte diesen Worten zunächst irgendwelche Bedeutung beimessen. Doch nach einigen Monaten verstarb die junge Fürstin völlig unerwartet, woraufhin der untröstliche Fürst Obolensky die Weltflucht antrat und als Mönch ins Feropontov-Kloster ging. Später wurde dieser zur Bischofswürde berufen und beendete seinen irdischen Lebensweg als Erzbischof Ioasaf von Rostow (+1489).

Wenige Tage vor seinem Lebensende wurde der heilige Isidor von seinem bevorstehenden Ableben auf wundersame Weise in Kenntnis gesetzt. Er verschied friedlich im Herrn am 14. Mai 1474. Die Bevölkerung Rostows erfuhr davon durch einen außergewöhnlichen Wohlgeruch, der aus der armseligen Hütte des Heiligen in alle Ecken der Stadt gedrungen war. Ein Passant, der sich gerade in der Nähe der Reisighütte aufhielt, fand den Körper des Heiligen auf der Erde liegend mit auf der Brust gekreuzten Armen, während das Antlitz gen Himmel gewandt war. Der Heilige wurde an der Stelle, wo seine Reisighütte stand, begraben, später wurde an dieser Stelle eine Holzkirche zu Ehren der Himmelfahrt Christi errichtet. Im Jahre 1566 wurde diese Holzkirche auf Geheiß des Zaren Ivan Grozny durch eine steinerne ersetzt. Im Jahre 1770 wurde diese Kirche durch ein Nebenschiff zu Ehren des inzwischen heiliggesprochenen Isidors von Rostow ergänzt, wo sich auch die Reliquien des Heiligen in einem Schrein befanden. Der hl. Dimitri von Rostow bezeugte später, dass sich in der Folgezeit zahlreiche Wunder am Reliquienschrein ereignet hatten, sobald sich nämlich Menschen mit reinem Glauben und Hoffnung auf Beistand an den heiligen Isidor wandten.